Neues vom LoTi
Bericht interaktiver Geologie-Abend mit Fokus auf die Region des geplanten Tiefenlagers für radioaktive Abfälle 19.01.2024, mit weiterführenden Gedankenanstössen.
Haben Sie sich auch schon einmal ob all der schönen Steine auf und neben dem Weg gefreut? Sich gefragt, wie sie entstanden oder wie alt sie sind? Welche Geschichten sie schon erlebt haben? Wie sie an diesen Ort gekommen sind? Und weshalb es gerade im Raum Stadel ein spezielles Gestein hat, das sich für die Endlagerung radioaktiver Abfälle eignen soll? Und weshalb genau in diesem Gebiet dieses Gestein über einen Jahrmillionen andauernden Zeitraum unverändert blieb? Zugegeben, die beiden letzten Fragen haben vermutlich Sie sich, wie auch die Schreibende selbst, sicher lange auch nicht gestellt.
Und genau diese und noch viele weitere Fragen erörterten wir zusammen mit Dr. Tim Vietor, Leiter Bereich Sicherheit, Geologie und Radioaktive Materialien bei der Nagra. Wir fokussierten auf die geologische Geschichte der Region Nördlich Lägern und kamen, anhand der zahlreichen Steine, die wir Teilnehmenden an diesem Abend mitgebracht hatten, dabei in den Genuss, diese Gesteins-Geschichten in diesen immensen Zeiträumen nachzuerleben.
Versuchen Sie, geschätzte:r Leser:in einmal selbst, die Gesteine, die wir mitgebracht hatten und die uns zusätzlich von der Nagra zur Verfügung gestellt wurden, dem Alter nach einzuordnen:
Nagelfluh – Kalk – Granit – Verrucano – Gips – Sandstein – Opalinuston – Feuerstein (Silex)
Welche Eigenschaften müsste ein Gestein haben, dass sich für die Einlagerung von radioaktiven Abfällen eignet? Überlegen Sie gerne selbst.
Wir erarbeiteten zusammen, dass dieses Gestein folgende Kriterien haben sollte: Es sollte wasserundurchlässig sein, eine möglichst dicke, homogene Schicht bilden und geologisch langfristig stabil bleiben. Es müsste idealerweise im «geologisch langweiligsten Gebiet der Schweiz» liegen. Irgendwo, wo es weder bei der Ablagerung des Gesteins selbst noch bei der geologischen Weiterentwicklung des Gebietes Störungszonen und Risse in der Tiefe gab. Diese Eigenschaften wären notwendig, um eine geologische Barriere zu bilden, um allenfalls austretende radioaktive Strahlung oder Materialien adsorbieren zu können. Von diesen Kriterien liess sich die Nagra bei der Standortsuche nach dem geeigneten Gestein, im Falle der Schweiz das Gestein Opalinuston, leiten.
Die Endlager-Behälter bilden dagegen nur die technische Barriere, welche die Biosphäre von den radioaktiven Abfällen abschirmen sollte. In der Schweiz wird momentan auf dieses zweistufige Endlagerkonzept geologische und technische Barriere für hochradioaktive Abfälle gesetzt; im Ausland werden momentan etwa 30 Endlager angedacht oder geplant. Einige setzen dabei auf Konzepte mit rein technischen Barrieren, andere auf eine Kombination aus geeigneten Behältern und Gestein. Viele Länder stehen diesbezüglich jedoch noch nirgends oder haben schlicht nicht die geologischen Voraussetzungen für eine Kombination.
Anlässlich dieser Exkursion erhielten wir auch die Möglichkeit, anhand der Bohrkerne in den geologischen Untergrund der Region zu schauen. Äusserts interessant war, dass gerade ein Bohrkern aus dem Gebiet Weiach für wissenschaftliche Untersuchungen bereit lag. Wir konnten die Kohleschicht aus dem Permokarbontrog, erkennen. Es ist genau diese Schicht, die beispielsweise bei uns nachfolgenden Generationen zu Nutzungskonflikten mit dem Tiefenlagerkonzept führen könnte, sollte Kohle irgendwann wieder als interessanter Energieträger angeschaut werden. Momentan wäre ein solcher Abbau ökonomisch uninteressant, da die Schicht auf etwa 1500 m unter der Oberfläche liegt und nicht sehr dick ist.
Wir schauten auch in die für uns sehr ferne Zukunft von einer Million Jahre. Bis dann sollte die Radioaktivität der eingelagerten Brennstäbe unter einem angestrebten Wert liegen. Was wird sich im Gebiet Stadel verändert haben? Das Gebiet soll sich in diesem Zeitraum gemäss den Erwartungen bis zu 200 m gehoben und ein paar Kaltzeiten erleben haben, die erste davon allerdings erst in ungefähr 140’000 Jahren, da die prognostizierte nächste Kaltzeit in 80’000 Jahren infolge der menschlichen Aktivitäten in der Neuzeit ausfallen wird.
Die Frage, weshalb der Standort nördlich Lägern 2015 von der Nagra als geeigneten Standort zurückgestellt wurde, heute jedoch favorisiert wird, wurde folgendermassen erklärt: Damals schätzte die Nagra die Lage der für das Endlager geeigneten Opalinustonschicht erstens als zu tief unter der Erdoberfläche liegend ein, um so ein Lager bauen zu können und vermutete zweitens, dass links und rechts davon vorhandene Störungszonen zu wenig Platz liessen, um ein Endlager zu bauen. Erst durch die seismischen Messungen, welche durchgeführt werden mussten, wurden diese Einschätzungen von der Nagra relativiert und als nicht relevant eingeschätzt. Die zwischenzeitlich fortgeschrittenen Techniken im Tiefbausektor scheinen auch Bautätigkeiten in grösseren Tiefen zu ermöglichen. Dieser Fragenkomplex mit den entsprechenden detaillierten Erklärungen könnte sich bestens für einen öffentlichen Diskussionsabend unter Einbezug verschiedenster Akteure eignen.
Nicht erörtert haben wir die Frage, welche anderen Aufbewahrungskonzepte es für hochradioaktive Abfälle geben könnte. Oder welche momentan weltweit in der Erforschung oder bald in der Erprobung sind und möglichweise ein Tiefenlagerkonzept hinfällig werden lassen könnten. Antworten hierzu waren und sind nicht Thema dieses Geologie-Abend, werden vom Verein LoTi jedoch an anderen Stellen weiterhin eingefordert werden.
Es wurden uns an diesem interaktiven Geologie-Abend viele unserer geologischen Fragen und auch Fragen im Zusammengang mit dem geologischen Tiefenlager beantwortet. Doch gibt es aus geologischer Sicht auch noch viel mehr Interessantes über unsere Gegend zu erfahren. Deshalb soll eine Geologie-Exkursion im Raum Stadel folgen.
Ein paar Eindrücke / Fotos: Geologie Abend
Lösung für die Eingangsfrage – Die richtige Reihenfolge der Gesteinsalter in der Region Nördlich Lägern ist:
Granit – Verrucano – Gips – Opalinuston – Kalk/Feuerstein – Sandstein – Nagelfluh