«Wie ist das Tiefenlager für radioaktive Abfälle vor Eiszeiten und Abtragung geschützt?
Der Vorstand des Vereins LoTi bietet seinen Mitgliedern Aktivitäten, beispielsweise Vorträge und Exkursionen an, mit welchen Sie ihr Wissen rund um das vorgeschlagene Endlager für radioaktive Abfälle vertiefen können. Diesem Zweck diente auch die kürzlich durchgeführte Exkursion unter Leitung von Fachpersonen der Nagra.
Auf der Exkursion wurden verschiedenen geologische Phänomene besichtigt und besprochen, welche die Landschaft der Region in den letzten Millionen Jahren geformt und geprägt haben. Besprochen wurden diese Phänomene im Zusammenhang damit, wie radioaktive Abfälle vor Prozessen, die sich an der Erdoberfläche abspielen, geschützt werden können damit der Schutz von Mensch und Umwelt vor diesen Abfällen gewährleistet bleibt. Und wie tief deshalb ein Tiefenlager liegen muss, dass diese Prozesse es nicht mehr beeinflussen.
Zuerst gingen wir der Frage nach, welche Prozesse die Landschaft geformt und damit die Erdoberfläche gestaltet haben. Dazu besuchten wir verschiedene Örtlichkeiten in der Region an denen diese geologischen Phänomene aus vergangenen Zeiten weiterhin direkt sichtbar und greifbar sind. Wir erfuhren, dass die Landschaft in der Region in den vergangenen Jahrtausenden hauptsächlich durch Wasser sowie das Eis der Vergletscherungen geformt wurde. Zudem trug und trägt der Mensch mit seinen Aktivitäten zur oberflächlichen Gestaltung der Landschaft bei.
Am Glattufer bei Hochfelden besprachen wir die Schotterablagerungen eines aktuellen Flusssystems, der Glatt. Diese fliesst seit Ende der letzten Vergletscherung, also seit ungefähr 20’000 Jahren durch die Region. Sie hat dabei ein Flusstal geschaffen. Zudem hat sie verschiedene Gesteine, insbesondere Gesteine, welche die Gletscher bei ihrem Rück zurückgelassen haben, transportiert, sortiert, gerundet und wieder abgelagert, was wir jetzt in den Felswänden sehen können.
Beim alten Steinbruch in Oberweningen erkundeten wir Schotterablagerungen aus früheren Flusssystemen, welche vor der letzten Vergletscherung die Landschaft prägten. Jetzt befinden wir uns fast 200 Meter über dem letzten Standort. Über diesen Ablagerungen liegen wiederum Zeugen eines früheren Gletschers. Ganz nebenbei erfuhren wir, dass das Alter dieser verschiedenen Schichten mittels Fossilien bestimmt werden kann. Das klassische Leitfossil Ammonit kommt jedoch in solchem Gestein nicht vor. Dazu braucht es ein anderes Tier, das relativ häufig vorkommt. Nun welches? Ja richtig! Mäuse. Anhand des Alters der gefundenen fossilen Mäusezähne konnte das Alter der Gesteinsablagerungen dieser frühen Flusssysteme rekonstruiert werden . Die Ablagerungen in diesem Steinbruch sind ungefähr 1.3 Millionen Jahre alt.
Auf der Moräne Egg betrachteten wir die Landschaftsformen, welche die letzte grosse Vereisung hinterlassen hat: die Talform und die Eintiefungen (Fachbegriff: Übertiefungen) der Gletscher. Eismassen der Gletscher haben durch ihre Talwärtsbewegung Vertiefungen von bis zu 300 Meter ins Gelände geformt. Mit dem Abschmelzen der Gletscher wurden diese dadurch entstandenen Täler freigelegt. In diesen Übertiefungen entstanden Seen. Viele unserer heutigen Mittellandseen, beispielsweise der Zürichsee, der Greifensee und der Pfäffikersee sind Seen, die auf diese Weise entstanden sind. Ein solcher See befand sich auch einmal im Wehntal. Dieser wurde jedoch durch kontinuierlichen Schottereintrag der Zuflüsse aufgefüllt.
Vom Stadlerturm aus gewannen wir einen Überblick über die Region Stadel, in die weitere Umgebung bis hin zu den Alpen und den Vulkanschloten im Hegau. Wir besprachen das Langzeitsicherheitskonzept des Tiefenlagers anhand des grossräumigen topographischen Profils mit Lage, Höhe und Tiefe der eiszeitlichen Ablagerungen und Eintiefungen, kombiniert mit den extrapolierten Szenarien für Eisvolumina in der Zukunft bis 1 Million Jahre. Uns wurde dargelegt, weshalb die Nagra den Standort Nördlich Lägern als besten der drei in Etappe 2 des Sachplanverfahren geprüften Standorte für die Errichtung eines Tiefenlagers gewählt hat.
Zudem freuten uns über den Verrucano-Findling am Fusse des Stadlerturms, der ebenfalls seine Geschichte erzählt.
Die auf dieser Exkursion besprochenen Prozesse des Vorstossens und Rückzugs von Gletschern, der Entstehung von Fliessgewässern und Talbildungen, werden auch in der nächsten eine Million Jahre die Region formen und prägen. Dies ist die Zeit, die es dauern wird, bis das im geplanten Tiefenlager eingelagerte radioaktive Material den Wert der natürlich vorhandenen Strahlung von Uranerz erreicht haben wird. Die Nagra argumentiert, gemäss heutigem Wissensstand, dass durch die grosse Tiefe von ungefähr 900 m das eingelagerte radioaktive Material vor den kommenden Eiszeiten und Abtragung durch Gletscheraktivität und Gewässer, welche in Zukunft wieder in dieser Region zu erwarten sind, geschützt ist.
Eine angeregte offen-kritische Diskussion zu verschiedenen Themen rund um den Bewilligungsprozess des Tiefenlager, der Ausgestaltung der Oberflächenanlage, dem Spannungsfeld zwischen der Belastung der Region versus den Nutzen des Tiefenlagers, der Mitgestaltung und Mitbestimmung der Region und lokalen Bevölkerung schlossen die Exkursion auf der Moräne Windlach mit Blick auf die Kiesgruben und des Haberstal ab.
Wir erlebten eine interaktiv gestaltete Exkursion, auf der die geologischen Prozesse und Phänomene, welche die Landschaft der Region geformt und geprägt haben anschaulich und lebendig erklärt und besprochen wurden. Geleitet wurde die Exkursion von Dr. Tim Vietor, Leiter Bereich Sicherheit, Geologie und Radioaktive Materialien und Heinz Sager, Public Affairs Manager bei der Nagra.
Bericht und Fotos: Brigitte Dorn, Vorstandsmitglied Verein LoTi, www.loti2010.ch